Beobachtungsoptik, Taschen- oder Pocketferngläser im Test – Teil 1

Man kann sie in der Hemdtasche oder Hand verschwinden lassen – die Pocketgläser. Sie sind an Fahrigkeit nicht mehr zu überbieten und können wirklich überall bequem mitgenommen werden. Die so genannten Taschen-, Pocket- oder Faltgläser haben einen Objektivdurchmesser von unter 30 mm. In Größe und Gewicht unterscheiden sie sich deutlich von den Pirschgläsern. Die Konstruktion der Pocketgläser zielt auf hohe Führigkeit. Es sind Gläser, die man überall bequem mitnehmen kann, ohne dass sie zur Last fallen. Sie verschwinden in der Hemdtasche genauso wie sie auch in einer kleinen Bereitschaftstasche am Gürtel stecken können. Natürlich kann man sie auch klassisch am schmalen Trageriemen um den Hals tragen. Je nach Konstruktion lassen sich die beiden Rohrkömer zusammenfalten, sodass sie in der Hand verschwinden können. Klassisch sind Objektivdurchmesser von 20 mm. Es gibt aber auch Pocketgläser mit etwas stärkeren Objektiven von 25 oder gar 28 mm. Die Vergrößerung liegt in der Regel bei 8- oder 10fach. Schon auf Grund der geringen Austrittspupillen (2 bis 3 mm in der Regel) sind die Taschenferngläser nur für Tageslicht geeignet. Man kann sie nur bedingt in der beginnenden Dämmerung einsetzen. Der Vorteil dieser Gläser liegt weniger in der optischen Leistung als vielmehr beim leichten Gewicht und der handlichen Größe. Man setzt sie dort ein, wo jedes Gramm an Gewicht zur Last wird, beispielsweise im Gebirge, beim Skifahren oder extremen Trekkingtouren, aber auch auf Safaris in Afrika sind sie beliebt, da dort das Wild fast ausschließlich bei Tageslicht beobachtet wird. Bei Spaziergängen können sie „unbemerkt” in der Jackentasche mitgeführt werden. In der Praxis zeigten die Taschengläser einige Schwächen gegenüber den Pirschgläsern. Beim Führen haben sie sich schnell verstellt. Wenn man sie braucht, müssen sie wieder von Neuem einjustiert werden.

Swarovski-Taschenglas 10x25B

Zeiss Taschenglas Victory 10x25BT

Es „verdrücken” sich die beiden Hälften recht leicht. Auf Grund der zierlichen Maße ist der Bedienkomfort – etwa beim Fokussieren – gering. Kleine Fokussierräder erfordern oft Fingerspitzengefühl und lassen sich mit dicken Winterhandschuhen nur schwer handhaben.

Bei vielen Pocketgläsern ist die optische Leistung nur mäßig. Die geringen Okulare und Austrittspupillen bieten wenig Komfort und sind bei schwindendem Licht schlichtweg unbrauchbar. Wegen der geringen Austrittspupillen muss die Augenpupille sehr genau zentriert werden. Ein ungenaues Zen-trieren oder Wackeln wird mit Bildfehlern wie „Abschattungen” bestraft. Wer sich ein Faltglas zulegt, sollte gerade hier auf hohe Qualität Wert legen, damit er noch Freude und Sehkomfort beim Beobachten genießen kann. Vor allem im hohen Preissegment kann man von qualitativ brauchbaren Faltgläsern sprechen. Bei vielen billigen Pocketgläsern ist von Sehkomfort kaum zu sprechen. Beobachtungen bei Gegenlicht sind kaum möglich. Dagegen bieten qualitativ gute Taschengläser erstaunlich viel an Leistung. Reicht das Licht, dann hat man eine sehr hohe Auflösung, zu der gestochene Schärfe und hohe Bildbrillanz kommen, die sich in geringem Falschlicht, hoher Farbtreue und sehr gutem Kontrast ausdrückt. Eine hohe Licht-transmission ergibt ein helles Bild. Einbußen hat man sicherlich beim Sehfeld gegenüber größeren Ferngläsern.

Schnitt durch Zeiss Fernglas Victory

Taschengläser basieren üblicherweise auf Dachkant- prismen-Umkehrsystem. Man verwendet Schmidt- Pechan Dachkantprismen, da sie eine niedrige Bauhöhe aufweisen. Selbstverständlich sollte ein P-Belag für eine Phasenkorrektur vorhanden sein. Nur dadurch ergeben die Dachkantprismen beim Lichtdurchgang keine Phasenverschiebung und Interferenzeffekte werden vermieden. Man sieht die Objekte erst dann unverzert und natürlich. Lichtspiegelungen und Lichtschweife werden vermieden. Ideal ist noch, wenn der Spiegel nicht lediglich eine Silberschicht aufweist. Viele dielektrische Schichten erhöhen die Bildbrillanz enorm und sorgen für extreme Farbtreue. Natürlich muss die gesamte Optik an allen Glas-/Luftflächen mehrfach vergütet sein. Die Außenflächen von Objektiv und Okular müssen eine abrieb- und kratzfeste Vergütung erhalten.

Ganz wichtig ist eine solide, stabile und verwindungsfeste Brücke, die beide Fernglashälften dauerhaft miteinander parallel verbindet. Gerade beim Führen in Kleidungstaschen darf sich nichts verdrücken lassen. Nur Parallelität gewährleistet vernünftiges Beobachten, ohne dass Kopfschmerzen auftreten oder dieses übermäßig anstrengt. Ganz wichtig ist also ein sehr stabiles Gehäuse (Aluminium, Magnesium oder faserverstärktes Polyamid), das auch schon mal einen Schlag verdaut. Es sollte selbstverständlich gummiarmiert sein. Das verleiht Griffigkeit und „Wärme”. Ferner sorgt es für Geräuscharmut und Dämpfung.

Keinesfalls sollte man bei Taschengläsern auf hohen Komfort verzichten. Sie sollten echte Brillenträgerokulare haben, damit Brillenträger wirklich das gesamte Sehfeld nutzen können. Gerade bei Taschengläsern erwiesen sich Stülpaugenmuscheln als umständlich.

Drehaugenmuscheln (oder ausziehbare Augenmuscheln), die sich ausgefahren ordentlich fest arretieren lassen, sollten Standard sein. Die Fokussierwalze sollte nicht nur winzig aus der Brücke ragen. Sie sollte möglichst frei in der Mitte dastehen und ausreichend stark sein. Eine gerippte Gummiarmierung erhöht die Griffigkeit. Die Fokussierwalze sollte auch mit Handschuhen bequem bedienbar sein. Sie muss weich und geschmeidig laufen. Leider verstellt sich die eingestellte Schärfe beim Führen der Gläser sehr schnell, sodass stets von Neuem scharf gestellt werden muss.

Ein Kombiknopf für Fokussierung und Dioptrienausgleich ist auch bei Taschengläsern vorteilhaft. Auf jeden Fall sollte ein Taschenfernglas wasser- und staubdicht sein. Gegen Innenbeschlag ist eine Stickstofffüllung erforderlich, damit bei der Herstellung keine Feuchtigkeit eingebaut wird. Dichtheit wird auf Dauer nur gewährleistet, wenn eine echte Innenfokussierung vorhanden ist. Es dürfen sich beim Fokussieren aber auch beim Dioptrienausgleich keine Außenlinsen im Okular oder gar das Okular selbst verschieben. Erst ein hochwertiges Taschenglas ist von praktischem Nutzen. Schließlich will man Objekte scharf, klar, farbtreu und kontrastreich erkennen. Vielfach ist bei Billigprodukten das Bild im wahrsten Sinne des Wortes getrübt. Das sollte keinesfalls der Fall sein.

Auf Grund ihrer Kürze und Leichtigkeit liegen Taschengläser nicht so ruhig und ausbalanciert in der Hand. Die meisten Benutzer werden bei Freihandbeobachtung etwas wackeln. Das macht sich gerade auch wegen der geringen Austrittspupillen in Schärfe und Bildqualität negativ bemerkbar. Sicherlich kann man Details mit 10facher Vergrößerung besser erkennen als mit 8facher. Dieser Vorteil der 10fachen Vergrößerung wird aber durch Handunruhe schnell zunichte gemacht. Oft ist für das volle Ausnutzen der 10fachen Vergrößerung eine Armabstützung erforderlich. Ferner hat man eine sehr geringe Austrittspupille. Sehr universell ist dagegen die 8fache Vergrößerung. Sie gewährleistet bestes Beobachten aus freier Hand und hat noch den Vorteil der stärkeren Austrittspupille.

Qualitativ hochwertige Taschengläser benutze ich vor allem bei Touren in schwierigem Gelände wie dem Hochgebirge, wo es gilt, jedes Gramm an Gewicht zu sparen, aber auch bei Fotosafaris, etwa in Afrika. Man hat da eine größere Kamera zu handhaben und kann nicht noch ein schweres Fernglas auf der Brust herumbaumeln lassen. Aber auch beim Familienspaziergang führe ich oft ein Taschenglas mit. Es gibt immer wieder Gelegenheiten zur Beobachtung, etwa einen eifrigen Specht oder das scheue Reh am Waldrand.

Sicherlich ist das Pocketglas ein typisches Zweitglas. Es ergänzt in idealer Weise ein größeres Pirsch oder Nachtglas. Für bestimmte Aufgaben ist das Pocketglas prädestiniert und dann eben von erheblichem Vorteil gegenüber größeren Ferngläsern. Die Pocketgläser ergänzen die Beobachtungsoptik. Um wirklich praktischen Nutzen und Freude daran zu haben, sollte man nur ein Pocketglas von hoher Qualität kaufen. Gerade bei diesen Gläsern gibt es viel Schund, mit dem Beobachten zur Last wird.

Im Folgenden werden einzelne Taschen- oder Pocketferngläser vorgestellt, die ich in der Praxis benutzte. Es handelt sich ausschließlich um Dachkantprismengläser.

Beobachtungsoptik, Taschen- oder Pocketferngläser im Test – Teil 2